Sinn und Unsinn der neuen Vorschriften über RDKS-Ventile
Wer mich kennt, weiß, wie sehr ich die Europäische Union mag. Ständig erfindet sie neue, großartige Vorschriften, die uns das Leben vereinfachen – wie etwa die Gurkenkrümmungsverordnung, die Adventskerzenflammenhöhenverordnung (kein Scherz, gerade im Gespräch) oder das Gebot, auf Zigarettenpackungen Bilder von Raucherlungen zu drucken. Wir können im Grunde froh sein, dass noch keiner auf die Idee gekommen ist, Bilder von Verkehrsunfällen auf Neuwagen lackieren zu lassen.
Dafür müssen seit November 2014 alle in der EU verkauften Neufahrzeuge über ein Reifendruckkontrollsystem (RDKS) verfügen. Das ist eigentlich keine schlechte Idee, denn die regelmäßige Kontrolle des Reifendrucks kann Unfällen vorbeugen und Sprit sparen. Allerdings haben die hohen EU-Kommissare vergessen, dass Autobauer und Reifenhändler ihre Produkte nicht aus reiner Nächstenlieben an den Mann bringen, sondern bei jeder Neuerung kräftig absahnen. Beim Kauf eines Reifensatzes entstehen nunmehr Extra-Kosten von Knapp 300 Euro. Das juckt den Fahrer eines überdimensionierten BMW-SUVs kaum, sehr wohl aber die alleinerziehende Mutter mit ihrem Corsa, Twingo, Lupo oder sonstigem Kleinwagen.
Obwohl die Herstellungskosten pro Sendeventil allenfalls wenige Euro betragen, kosten sie den Verbraucher zurzeit etwa 50 Euro pro Stück. Hinzu kommt der Einbau bzw. die Synchronisation mit dem Fahrzeugcomputer. Wer seine Reifen bisher von einem Privatschrauber hat aufziehen lassen, kann dies in Zukunft vergessen. Die neuartigen Ventile sind so gebaut, dass sie beim Ausbau in den meisten Fällen zerstört werden. Eine Zweitnutzung der Geräte kommt aber ohnehin nicht in Betracht, da die Haltbarkeit der Batterien nur etwa drei bis fünf Jahre beträgt (je nach Hersteller). Darüber hinaus sind die Batterien fest verbaut und nicht austauschbar. Wer also seine Reifen nur wenig gefahren hat, der kann sie trotzdem wegwerfen, weil der Einbau neuer RDKS-Ventile in alte Reifen unwirtschaftlich ist.
Die Ventile sind übrigens in der Lage, den Reifendruck und die Reifentemperatur eines jeden Reifens ins Cockpit zu senden – sie tun es allerdings nur gegen Aufpreis, denn in den Basisversionen der Autos ist in vielen Fällen nur ein Warnlämpchen eingebaut, das aufleuchtet, wenn der Druck unter 1,5 bar fällt oder die Verbindung zum Sendeventil abbricht. Dieses Lämpchen kann zum Problem werden. Denn wer meint, er könne seinen Wagen einfach ohne die teuren Ventile fahren, dem sei gesagt, dass die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs mit Aufleuchten der Reifendruckkontrolllampe formell erlischt.
Möglicherweise wird durch die Einführung des RDKS der Spritverbrauch geringfügig zurückgehen. Ob Autofahren dadurch sicherer wird, darf dagegen bezweifelt werden. Denn die hohen Kosten werden dazu führen, dass viele Verkehrsteilnehmer entweder auf die qualitativ schlechteren Ganzjahresreifen umsteigen oder ihre Winterreifen ganzjährig fahren.
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