Wer im Herbst 2021 die Sportseiten der Tageszeitungen im Norden studierte, musste lesen, dass ausgerechnet mein letztes Buch als Begründung herhalten musste, warum ein designiertes Vorstandsmitglied des SV Werder Bremen auf Druck einer linken Ultra-Gruppierung von der Vereinsführung „gecancelled“ wurde. Verantwortlich dafür war vor allem die unkritische Berichterstattung des Weser Kurier, in der die hanebüchenen Vorwürfe der Ultras ungeprüft übernommen wurden. Ich habe mich deshalb mit einem Brief an die Chefredakteurin gewandt:
Sehr geehrte Frau Hellwig,
meine Eltern haben mir beigebracht, vor jeder Beschwerde 48 Stunden zu warten. Ich bin meinen Eltern dankbar dafür, denn ich habe mit dieser Methode diverse ärgerliche Ereignisse zu den Akten legen können, über die ich mich ansonsten wahrscheinlich noch lange unnötig geärgert hätte. Der Sachverhalt, wegen dem ich Ihnen heute schreibe, liegt nun allerdings bereits mehr als 48 Tage zurück. Sie sehen also, es hat dieses Mal nicht funktioniert.
Ich fasse kurz zusammen: Da ist also dieser Unternehmensberater namens Oliver Harms, der sich in den Aufsichtsrat von Werder Bremen wählen lassen möchte. Der Weser Kurier führt ein längeres Interview mit ihm, ohne dass irgendwer irgendetwas an Harms auszusetzen hätte. Alles läuft nach Plan. Dann aber veröffentlicht eine Werder-Ultra-Gruppierung einen anonymen Text, in dem Harms rechte Tendenzen unterstellt werden. Dazu zitiert man aus einem angeblichen privaten Schriftwechsel zwischen Harms und einem nicht benannten Kriminologen, in dem Harms das Buch eines Karsten D. Hoffmann gelobt habe. Hoffmann sei mal in der AfD gewesen und sein Buch werde über den Kopp-Verlag vertrieben. Anschließend läuft alles weiter nach Plan – nach Plan der Ultras: Der Weser Kurier greift die Vorwürfe auf (“Verdacht rechter Gesinnung”) und zitiert die anonymen Verfasser aus der Ultra Szene. Werder Bremen sägt den Kandidaten kurzerhand ab. Ultras – Harms 1:0 Endstand.
Ich kenne Olaf Harms nicht und habe noch nie mit ihm gesprochen. Ich weiß also nicht, ob der gegen ihn geäußerte Verdacht zutrifft. Ich will auch nicht das Verhalten der Verantwortlichen von Werder kritisieren (die haben zurzeit ganz andere Probleme, mit denen ich wirklich nichts zu tun habe…). Der politische Druck ist bei diesen Themen einfach so groß, dass dem Verein gar keine andere Möglichkeit blieb, als den Kandidaten auszutauschen. Maßlos enttäuscht bin ich hingegen von der Berichterstattung des Weser Kurier, denn bei diesem Sachverhalt ergeben sich Fragen, deren Beantwortung für eine Bewertung elementar sind, aber vom Weser Kurier gar nicht gestellt wurden. Diese Fragen lauten:
Woher haben die Ultras diesen Briefwechsel?
Die Ultra-Gruppierung zitiert aus einem privaten Schreiben Harms’ an einen anonym gebliebenen Kriminologen. Wahrscheinlich ist, dass dieser Kriminologe den Ultras den Brief zur Verfügung gestellt hat. Das allein wäre bereits bemerkenswert, denn durch die Veröffentlichung steht eine Verletzung des Briefgeheimnisses im Raum. Weitaus interessanter aber ist die zweite Frage:
Wer ist der Kriminologe und warum hält er seine Identität geheim?
Offensichtlich pflegt der anonyme Kriminologe enge Kontakte zur Ultra-Szene und hielt es für dienlich, seine Informationen über Harms an sie weiterzuleiten. Da der Kriminologe den Schwerpunkt Fußball hat (Angaben der Ultras), dürfen wir davon ausgehen, dass er weiß, dass die Ultra-Szene auch in Bremen ihre Konflikte nicht immer mit Wattebäuschchen austrägt. Gleichzeitig ist ihm aber auch nicht genehm, dass seine Identität bekannt wird. Schwingt da also ein Unrechtsbewusstsein mit oder fürchtet er rechtliche Konsequenzen? Arbeitet der Mann vielleicht sogar im Öffentlichen Dienst? Es ist eine Sache, Kritik zu üben, um einen Missstand aufzudecken, es ist eine andere, Informationen durchzustecken, ohne mit seinem Namen dafür einzustehen. Und dabei steht noch eine andere Frage im Raum:
Warum veröffentlicht Oliver Harms nicht die Identität des Kriminologen?
Klar ist, dass Oliver Harms um die Identität des Kriminologen weiß, immerhin hat er ihn ja angeblich angeschrieben (Warum eigentlich?). Es läge nahe, dass Harms nun seinerseits die Identität des Kriminologen offenlegt – immerhin wurde er öffentlich angegriffen. Aber er tut es merkwürdigerweise nicht. Entweder verfügt der Kriminologe über entsprechende Druckmittel (Was steht noch in dem Briefwechsel?) oder Harms ist bloß ein besonders anständiger Mensch. Apropos:
Warum hat der Weser Kurier Harms nicht bereits vorher auf seine politische Orientierung angesprochen?
Wenn tatsächlich „seit Juni Gerüchte bekannt waren,” wie der Weser Kurier schreibt, „dass Oliver Harms möglicherweise rechte Positionen vertritt sowie eine Nähe zur AfD hat und damit so gar nicht zu den Wertevorstellungen des Traditionsvereins passt”, warum hat der Weser Kurier den Mann in seinem Interview am 30.8.21 nicht dazu befragt? Und apropos politische Orientierung:
Warum thematisiert der Weser Kurier nicht die politische Ausrichtung der Ultras?
Die politische Position eines Akteurs ist von zentraler Bedeutung, um einen politischen Vorgang bewerten zu können. Am 25.8.2020 war im Weser Kurier zu lesen, es gebe “[p]ersonelle Überschneidungen zwischen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene” und der zitierten Ultra-Gruppierung. In der Causa Harms hat der Weser Kurier nicht darauf hingewiesen. Er hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, den Text der Ultras umzuformulieren, sondern zitiert diesen über mehrere Zeilen wie folgt:
„In dieser E-Mail bezieht Harms sich
positiv auf zwei Autoren, die sich beide großer Beliebtheit in rechten Kreisen
erfreuen. Einer dieser Autoren ist Karsten D. Hoffmann.
Hoffmanns Buch, welches von Kandidat Harms als „bemerkenswert“ beschrieben
wird, wird u. a. über den Kopp-Verlag vertrieben, welcher
pseudowissenschaftliche, verschwörungsideologische, rechtspopulistische Inhalte
und Titel der extremen Rechten vertreibt. Karsten D. Hoffmann ist darüber
hinaus in der Vergangenheit AfD-Politiker in Rotenburg gewesen und fabuliert
regelmäßig über eine Gesellschaft, die sich aus seiner Sicht bedrohlich nach
links verschieben würde“
und das führt zur Frage:
Warum prüft der Weser Kurier nicht die Anwürfe der Ultras?
Gehört es nicht zur journalistischen Arbeit, sich verschiedener Quellen zu bedienen und die Angaben zu prüfen? Da dies nicht im Ansatz geschehen ist, gehe ich in der gebotenen Kürze auf die Anwürfe ein:
Das entscheidende Argument gegen Harms scheint zu sein, dass er mein letztes Buch als bemerkenswert bezeichnet habe (Hat er das?). Auf das Buch, das also ein zentrales Glied der Argumentationskette ist, wird im Weser Kurier aber gar nicht eingegangen (Warum nicht?) Das ist aber immer noch besser als die Vorgehensweise der Ultras, die das Buch offensichtlich nicht kennen, aber falsche Behauptungen darüber anstellen. Denn anders als behauptet, differenziere ich zwischen dem legitimen Engagement von Antifa-Gruppen und illegitimen antidemokratischen Aktionen im Namen des Antifaschismus. Ich bin Antifaschist im eigentlichen Sinn des Wortes und ich engagiere mich gegen Rechtsextremismus – so war ich zum Beispiel als Gutachter im Rahmen von Förderprogrammen des Bundes gegen Rechtsextremismus tätig (das passt aber nichts ins Bild und deswegen erwähnt es niemand, und übrigens: ich mache diese Arbeit gern und aus Überzeugung). Ich „fabuliere“ (Sie kennen die Bedeutung des vom Weser Kurier unkommentiert zitierten Begriffes!) in dem Buch auch nicht von einer Gesellschaft, die bedrohlich nach links rückt, sondern ich schreibe, dass linke Militanz – neben Militanz von rechts – ebenfalls als ernstzunehmendes Problem einzustufen ist. Sehen Sie das anders?
Als besonders brisant aus Sicht der Ultras (und des Weser Kurier?) gestaltet sich der Umstand, dass mein Buch vom Kopp-Verlag “vertrieben” wird (ver-trie-ben!) Auch diesen Vorwurf zitiert der Weser Kurier völlig unkommentiert, obwohl klar ist: Mein Buch ist nicht bei Kopp erschienen. Ich hatte noch nicht einmal Kontakt zu diesem Verlag. Das Buch ist dort in das Programm des Online-Shops aufgenommen worden, wie übrigens auch bei Amazon, Beck, Thalia, Hugendubel und diversen anderen deutschen Online-Buchhandlungen. Aber selbst wenn ich im Kopp-Verlag veröffentlicht hätte: Autoren haben das Recht, nach dem beurteilt zu werden, was sie schreiben und nicht, in welchem Verlag ihr Buch erschienen ist!
Was also ist an meinem Buch so kritikwürdig? Am 4.9.21, also zeitlich parallel zur Harms-Berichterstattung, hat der Weser Kurier einen Artikel mit dem Titel „Bremer Behörden Wissen wenig über gewaltbereite Linke“ veröffentlicht („Bremen fehlen Erkenntnisse zur gewaltbereiten Szene“). Der Artikel beruht offensichtlich auf einer großen Anfrage der Bremer FDP-Fraktion zum Thema Linksextremismus (Drs 20/1087). Darin räumt der Bremer Senat ein, dass Bremen zu den „Brennpunkten des gewaltorientierten Linksextremismus in Deutschland gehört“ und zeitgleich, dass es: „zum Linksextremismus in Bremen keine abgeschlossenen oder laufenden sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte [gibt].“ Das allein wäre ziemlich kritikwürdig, aber ich möchte auf etwas anderes hinaus: Die FDP-Anfrage behandelt exakt die Fragen, die in meinem Buch aufgeworfen werden (Mobilisierungspotential, Rückschlüsse aus Tatzeiträumen, Rolle der Alt-Aktivisten und der Hochschulen,…). Folglich ist die FDP-Fraktion entweder zu exakt denselben Schlüssen gekommen wie ich – oder einer der Mitarbeiter dort hat mein Buch gelesen. Der Weser Kurier hatte an der FDP-Anfrage nichts auszusetzen. Sehen Sie den Widerspruch?
Zum zweiten “Vorwurf”. Ich war bis 2017 AfD-Mitglied, weil ich in der Gründungsphase der Partei, wie tausende Andere, zur Überzeugung gelangt war, dass den Parlamenten in diesem Land eine bürgerlich-konservative Partei guttun würde. Ich habe mich während meiner zweijährigen Mitgliedschaft von Beginn an für einen bürgerlichen Kurs und gegen den „Flügel“ engagiert – und zwar nachweislich, und nicht wie dies zweifelhafte Charaktere wie Hinrich Lührssen für sich reklamieren. Ich war Mitgründer des liberal-konservativen Forums und einer der Sprecher der Alternativen Mitte. Als im Laufe des Jahres 2017 deutlich wurde, in welche Richtung die Reise der Partei gehen würde, habe ich den Schlussstrich gezogen und, kurz nach Frauke Petry, die Partei verlassen. Aber auch das passt nicht ins Bild und wird gern verschwiegen, denn eine ehemalige AfD-Mitgliedschaft ist heute offenbar ein gesellschaftliches Ausschlusskriterium. Wohin soll das führen? Wie kann man als (vermeintlichen) Beleg für eine unterstellte politische Orientierung eine Partei angeben, von der sich der Betroffene längst deutlich distanziert hat?
Ich will an dieser Stelle keinesfalls den Eindruck erwecken, ich wäre nicht besonders konservativ. Ich schreibe immer noch gerne für Tichys Einblick oder andere einschlägige Blätter. Und wem meine Inhalte missfallen, der darf sie gerne kritisieren – auch ohne mich vorher zu befragen. Wer aber Vorwürfe Dritter übernimmt ohne selbst zu recherchieren, der macht keinen guten Job! Es wäre ein Leichtes gewesen, mich zu kontaktieren und sich ein eigenes Bild von mir zu machen – Ihre Kollegen von Buten un Binnen haben es auch geschafft. Und damit komme ich zu meiner eigentlichen Frage:
Wird diese Form der Berichterstattung Ihrer Meinung nach dem Anspruch des Weser Kurier gerecht?
Trauen Sie sich, mir zu antworten oder fürchten Sie, dass man auch Ihnen das zum Vorwurf machen könnte? Ich jedenfalls würde mich über eine Antwort freuen, auch gern per Mail oder telefonisch.
Freundliche Grüße
Karsten Hoffmann
Ich hatte einige Tage nach Verschicken dieses Briefes tatsächlich ein freundliches Gespräch mit einem leitenden Redakteur des Weser Kurier, in dem dieser mir signalisierte, dass er den einen oder anderen von mir aufgeführten Punkt durchaus nachvollziehen könne. Dabei ist es allerdings geblieben.
Hier die wichtigsten Links: